Donnerstag, 26. Juni 2008

Deutscher nach 33 Antworten

FR Mi.11 juni 2008


***** Deutscher nach 33 Antworten *******

Der Artikel „ Deutscher nach 33 Antworten: Ab September gibt es einen Einbürgerungstest“ , von Boris Schlepper in der Rubrik Politik der FR vom 11. Juni 2008, berichtet von den neuen Regelungen bezüglich der Einbürgerung der Ausländer in Deutschland. Demnach sollen die Einbürgerungskandidaten ab 1. September einen Test bei dem Innenministerium ablegen. Der Test besteht aus 33 Fragen in der Form von Multiple-Choice. Die Fragen umfassen die Gebiete „Politik und Demokratie“ , „Geschichte und Verantwortung“ sowie „Menschen und Gesellschaft“. Um den Test zu bestehen muss man wenigstens die Hälfte der Fragen richtig beantworten. Der Test beinhaltet keine Fragen über die Gesinnung und Einstellung. Neben diesem Test können die Länder auch eine mündliche Prüfung durchführen.

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Viele Experten sind der Meinung, dass zuerst die Deutschen selbst geprüft werden sollen, ob sie ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Land kennen.
Es ist unzumutbar von einem Afrikaner, der auf der Baustelle arbeitet, zu erwarten von dem Kartoffelkrieg Bescheid zu wissen, während die Deutschen selbst über die Bundeswehreinsätze nicht genug informiert sind. Woher sollen die in Deutschland lebenden Ausländer „Otto von Bismark“ kennen, wenn man in Deutschen Fernsehen nichts anders sieht als „Dieter Bohlen“ und „Heidi Klum“ .
Hier ein Paar zeitgemäße Fragen als Vorschlag für den Einbürgerungstest in multiple-Choice Format:

1- Wie nennt man den 3. Oktober?

a- Tag der offenen Tür
b- Tag der Abrechnung
c- der 4-November
d- Oktober hat keinen 3. Tag. Er hat nur zwei Tage.


2- Wie heißt die Hauptstadt Deutschlands und wo liegt sie?

a- WellritzStrasse in Wiesbaden
b- Kandahar in Afghanistan
c- Vatikan in Rom
d- Deutschland hat keine Hauptstadt. Es hat nur Darmstadt.


3- Wie heißt der Bundespräsident?

a- Osama ben Laden
b- Michael Jackson
c- Mao Zedong
d- Giovanni Trapattoni
e- Keine Ahnung


4- Welche deutsche Politiker ist ihr Lieblingfigur?

a- Helmmut Kohl, weil: er verrät niemanden
b- Verona Pooth........sie ist großzügig
c- G. Westerwelle.....es ist gut so
d- Claudia.Roth...........es macht Spass sie zu zuhören
e- Alle


5- Was haben die Deutsche aus ihrer Geschichte gelernt?

a- Stalingrad ist sehr kalt
b- Man darf nicht unangemeldet zu Besuch kommen
c- KZ ist gestern. Heute benutzt man CD mit einem U am Ende
d- Die Deutschen lernen nie aus ihrer Geschichte.


6- Was ist das Wahrzeichen Berlin?

a- der Schiefe Turm von Pisa
b- die chinesische Mauer
c- Bratwurst
d- Bildzeitung
e- Alle


7- Wofür steht die Abkürzung „DB“ ?

a- Danke Bruder
b- Donner Bazar
c- Damen Bikini
d- Keine Ahnung


8- Was machen die Deutschen, wenn sie aus EM ausscheiden?

a- Sie machen die 68er dafür verantwortlich
b- Sie rächen sich an Türken
c- Sie dürfen nicht ausscheiden
d- Sie bereiten sich für den 3. Weltkrieg vor.


9- Was darf man als Deutsche nicht tun?
Man darf nicht die fünfte Partei:

a= eintreten c= vertreten e= hintreten
b= austreten d= zertreten f= hertreten


10- Wieviel Einwohner hat Deutschland?

a= Viele
b= Ziemlich viele
c= Wenig
d= Sehr wenig
e= Ich weiß es nicht
f= Ich weiß es aber ich habe es vergessen, wirklich


11- Was erwarten Sie als Belohnung, wenn sie den Test bestehen?

a- Nobelpreis der Philosophie
b- Foto- Shooting mit dem Herrn Roland Koch
c- Ein Gutschein
d- Ein Arschtritt

Mittwoch, 25. Juni 2008

„ Geh zu Hölle, du Scheißkerl! Verschwinde aus meinem Leben. Ich will dich nicht mehr sehen. Nie mehr. Es reicht mir. Ich kann nicht mehr, nicht mehr. Verschwinde sofort. Geh raus. Geh zum Teufel. “
Hatte sie gesagt. Dann hatte sie die Tür geöffnet, die Hand ausgestreckt und mit dem Zeigefinger nach außen gezeigt: „ Hau ab! “

- „ Hör auf Julia, lass uns reden! “, bat er unbeholfen und versuchte sie zu beruhigen.
- „ Ich will keine Entschuldigung mehr. Ich will nichts mehr hören. Es gibt nichts mehr zu reden. Du kotzt mich an, Scheißkerl! “
Sie war wütend, von dem ganzen Zorn der Welt gepackt. Sie war verletzt, tief verletzt. Sie könnte keinen Vertrauenmissbrauch mehr ertragen. Sie war am Ende ihrer Toleranz. Sie wollte keine Puppe mehr sein. Und sie hatte Recht. Jedenfalls, dachte sie so.
- Bitte hör mir zu Julia, ich kann alles erklären.
- Das kannst du deiner Oma erzählen!
Sie streckte wieder die Hand und winkte in andere Richtung. „ Verpiss dich endlich! “, war ihr letzten Wörter. Sie schloss die Tür mit einem heftigen Schub hinter ihm.

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Sie blieb hinter der geschlossenen Tür stehen. Es war ihr gutes Recht aufgebracht zu sein. Sie sollte einmal ihre starke Seite zeigen. Und gerade das hatte sie getan. Sie war zufrieden mit sich. Sie musste jetzt aber erstmal alles verdauen. Alles drehte sich um sie herum. Sie atmete tief die dicke Luft ein. Machte die Augen zu und fing an zu weinen, erst leise, dann laut und immer lauter bis ihr Kopf ein bisschen erleichtert wurde und die Luft dünner. „ Warum weine ich? “, fragte sie sich. „ Ich brauche nicht mehr zu weinen. Ich bin frei und nun nur für mich selbst da. Ich bin frei und glücklich. Ich brauche mich nicht mehr zu ärgern, Scheißkerl! “
Sie schaute heimlich durch das Fenster, nach dem Scheißkerl. Aber er war nicht da. Sie wollte nur sicher stellen, dass er endlich weg war.
Und er war weg. Sie blieb mühsam, stumm und ohne Bewegung. Vielleicht klopfte jemand an die Tür. Vielleicht klingelte das Telefon. Sie wartete in der Stille, vermied jedes Geräusch, nichts war zu hören. Nichts. Er war tatsächlich weg. Und sie war wahrhaftig frei. Das gewünschte Alleinsein war schließlich hergestellt. Sie hatte jetzt ihre Ruhe. Sie konnte sich fortan an wichtige Sachen konzentrieren. Der Streit war vorbei, der Nervenkrieg zu Ende.
Komm heiliges Alleinsein!


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Die Wohnung war durcheinander, wie ihre Gedanken. Überall herrschte Unordnung. Schmutzige Teller von gestern und vorgestern. Kleidungsstücke auf den Stühlen. Zeitungsblätter auf dem Boden. Trockene Blumen in Vase, mit gelblichem Wasser. Staub auf allen Möbeln. Trübe, dunkele Fenstern, Kaffeeflecken auf der Tischdecke und stickender Mülleimer.
Es sollte künftig keine Unordnung mehr in ihrem Leben geben. Es sollte eine neue Zeit beginnen, eine sinnvolle Zeit, mit Disziplin und Ruhe. Die gewünschte Ruhe. Endlich.

Die Aufräumungsarbeit tat ihr gut, ließ die Zeit unbeschwert vergehen, milderte ihr Zorn. Sie wichste die ganze alte Staub weg. Unterdessen warf sie ab und zu den Blick auf das Telefon, das nicht geklingelt hatte. Die Küche glänzte wieder nach vielen Tagen. Der Blick durch Sauberkeit der Wohnung war erfreulich. Die neuen Blumen strahlten lebendig in der Vase mit sauberem Wasser und die frische Luft, die durch offenes Fenster den Raum füllte, brachte ihr neue Hoffnungen.


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Es wurde Nacht. Mit ihr kam die Kälte und Dunkelheit. Die Fenster sollten geschlossen werden. Alleinsein wurde zur Einsamkeit und Einsamkeit bereitete sich aus. Sie warf noch einen Blick auf dem Telefon. Ihr fiel auf, dass Telefon den ganzen Tag nicht geklingelt hatte. Funktioniert es überhaupt?. Sie hob den Hörer ab. Ein ständiger Ton, nichts mehr war zu hören. Es wurde kälter. Sie schaltete die Heizung an. Nahm die Zeitung in die Hand und setzte sich hin. "Dieses verdammte Telefon klingelt immer noch nicht". Sie langweilte sich mit den Zeitungsartikeln. Ein Gefühl der Kälte packte sie an den Füssen. Sie rieb die Füsse aufeinander. Es half nicht viel. Die Kälte stieg an und umfasst ihren ganzen Leib. Sie rollte sich zusammen ein. Sie hasste den Frost und sehnte sich nach Liebe und Trost.
Kein Feuer der Welt konnte sie erwärmen. Die Einsamkeit, die ihr Stolz hätte sein können, lag ihr nahe zu erstarren. Sie machte die Augen zu und schlief ein.
Das war der Tag davor.

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Der Wind kam aus dem Süden, über Rhein, wie immer, schmeckte aber seltsam. Er drehte sich zwischen Bäumen, zog durch den Schlosspark, machte in Biebrich Runde, drehte sich weiter und wusste nicht wohin. Er wollte nur weg, weit weg von Wiesbaden.

.... Man braucht nicht immer zu wissen wo man hinfährt. Das Ziel ist nicht relevant. Wichtiger als das Ziel ist die Bewegung selbst. So wie der Wind es macht, ist richtig. Ein fester Punkt ist bedeutungslos, Stillstand und die Stunde Null.
Der Wind stirbt nie. Er kann nicht sterben. Er ist an keinen festen Ort gebunden und ist doch überall anwesend. So lange die Fahnen flattern, so lange die Blätter knistern, so lange der Rhein fließt und die Möwe ein Begriff ist, lebt der Wind weiter ... lieber wäre sie auf den Wind angestiegen und mit ihm fortgeflogen, ...


„ ... du musst selber wissen was du willst, mein Kind. Ich mache dir keine Vorwürfe. Keine kann dir was vorschreiben. Du bist ein Erwachsene. Ein vernünftiges Mädchen.
Weißt du! Das Leben achtet nicht auf uns. Wir müssen damit zurecht kommen. Wir müssen sein Spiel mitspielen. Letzte Entscheidung musst du selbst treffen ... “
Sagte ihre Mutter am Telefon und fügte hinzu: „ vergiss nicht, ich bin immer für dich da, was auch immer passiert. Ich liebe dich mein Mädchen. “
Sie fand keine Wörter mehr. Verabschiedete sich von ihrer Mutter. Nachdem sie aufgehängt hatte, fing sie an mit ihrer Mutter zu reden:
„ ... Warum? ... Warum Mutter hast du mich nicht gelehrt was Liebe ist? ... Warum hast du mich nicht davon gewarnt ... Woher sollte ich wissen, dass alles Lüge ist ... diese große Lüge ... diese dreiwörtige Lüge hat mich ruiniert ... Du hättest mir sagen müssen ... Du hättest mir von diesem Unheil behüten müssen. “

Sie zündete sich eine Zigarette und dachte nach:
„ ... Ich pfeife auf deine Philosophie ... wie oft habe ich deine Quatscherei herunterschlucken ... In Philosophie wird Suppe gekocht, eine kalte Suppe in einer leeren Küche. Die billige Suppe lässt sich teuer verkaufen. Sein Geschmack liegt in seiner Geschmacklosigkeit. Sie soll nicht nur satt machen, sondern auch heilen. Ich habe von deiner Suppe Bauchschmerzen bekommen und doch von grösser Erlösung geträumt. Erstaunlich wie leidenschaftlich diese Suppe eingenommen wird ...

Kein Philosoph auf der Welt kann sich selbst verstehen. Es ist überhaupt nicht nötig, und gerade das macht die Philosophen für andere Menschen interessant. Die Menschen sollen sich diese Denker und ihre Wörter zu begreifen zwingen und nicht umgekehrt. Und die Menschen zwingen sich all die Unsinne, die nun Philosophie heißt aufzunehmen ... Weißt du warum? ... Ganz einfach, weil wir uns über Lügen freuen. Die Lüge entspricht der menschlichen Seele. Man hört sie gerne. Man eignet sich diese an. Man fühlt sich verarscht und wird erleichtert. Du bist der grösste Philosoph ...
... Du Scheißkerl! ... “

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Der Tag war müde, machte unwillig der Nacht Platz und verschwand säumig hinter dem Horizont.
Das war der Tag danach und er ging ganz langsam vorbei, als wollte er überhaupt nicht vergehen.

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Und was war dazwischen ?
Dazwischen?? ... wusste sie nicht, wirklich nicht. Dazwischen war dunkel. Es gab nur eine Lücke, sonst nichts ; ein dunkles Indefinitum, in dem alles verschwindet. Das gibt es immer noch. Die Philosophie hat diese Lücke noch nicht geklärt.

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ENDE

Donnerstag, 12. Juni 2008

Aus meinem Tagebuch

12 Tage im Juni

Wer hätte so was gedacht? Seit gestern kann ich
nicht sitzen. Den Tag habe ich im Stehen verbracht. Es ist nicht
einfach. Probieren Sie es Mal! jetzt weiss ich diejenigen, die den
Stuhl, das Sofa oder die Bank erfunden haben, tatsächlich eine große
Leistung hervorgebracht haben. Dieses Geschehen hat meinen Blick auf
die Welt grundlegend verändert. In alles, was ich nun mehr in meiner
Umgebung sehe, finde ich einen Sinn, der mir vorher verborgen gewesen
ist. Ich weiss nun, dass ohne Stuhl, Tisch, Sofa, Brille, Teller, Schuhe
oder Papier mir etwas fehlen würde. Alle Gegenstände um mich herum
tragen eine Philosophie in sich. Meine Hose ist mir jetzt sehr wichtig
und meine Unterhose noch wichtiger. Für die empfinde ich einen tiefen
Respekt. Wie könnte ich weiter machen, wenn meine Hose sich weigern
würde von mir getragen zu werden. Nun aber weigern sich alle Stühle mir
einen Platz zu bieten. Es liegt zwar nicht ganz an den Stühlen. Zum
Teil liegt es an mir selbst. Ich habe eine Wunde am Po, seit gestern.
Dass
die Gegenstände sich gegen die Menschen wehren und sie ablehnen kommt
eher selten vor, das Umgekehrt aber andauernd. Ich erinnere mich, dass
ich manche meiner Kleidungsstücke nicht getragen habe, obwohl sie seit
langer Zeit sauber und gebügelt im Schrank stehen. Manchmal liegen die Obste
so lange auf dem Tisch bis sie schließlich verderben und ich muss sie
in den Mülleimer werfen. Oder viele Sachen, die ich für lange Zeit
vernachlässige bis sie nicht mehr verwendbar sind. Damit ist aber
erst mal vorbei. Nun bin ich gegenüber meinem bescheidenen Besitz
aufmerksam geworden. Ich bin freundlicher und zeige mehr Sympathie. Ich
bedanke mich von meiner Wohnungstür wenn sie sich öffnen lässt. Ich
bitte um Erlaubnis, wenn ich das Fenster öffnen will und ich küsse mein
Bett, wenn ich mich hinlege. Ist es eigentlich die Angst, die die
Menschen vernünftig machen? Angst vor Verlust und Verlassenheit?
Oder
ist es eine neue Weltanschauung, die hinter jede Erscheinung ein
lebendiges Wesen sieht, das Zuwendung und Achtung verlangt? Ich weiss nicht genau. Ich weiss aber wenn die Harmonie und Zusammenarbeit verschwindet, funktioniert nichts mehr.
Und ohne Gleichberechtigung kann es keine Harmonie geben und keinen Frieden. Und ich weiss falls eines Tages mein Kuli aufhören würde zu schreiben, weil er sich benachteiligt fühlen würde, dann wäre ich verloren.
Mein Stuhl hat mich gelehrt, dass die Kleinen, die Einfachen und Gewöhnlichen nicht weniger Gewicht haben als die Grössen und die Seltsamen. Mein kleiner Fahrrad ist nicht weniger Wert als das grösste
Flugzeug der Welt und ich soll es ihm merken lassen. Die Kleinen nutzen
viel mehr und kosten viel weniger. Es kann mir nicht schaden, wenn ich
nicht weiss was die Relativitätstheorie behauptet oder wie ein Supernova
vor sich hergeht. Aber wenn ich die alltäglichen Regeln nicht kenne,
bekomme ich immer böse Abszesse.
Alles begann am gestrigen Morgen
dem ersten Juni. Ich wurde aufgeweckt als die Handwerker bei ihrer
Arbeit im Haus zu laut waren. In Hochhäusern gibt es immer etwas zu
tun. Ich beklage mich nicht über den Krach im Haus sonst würde ich
wahrscheinlich den ganzen Tag schlafen. Ich schlafe immer zu spät,
niemals vor der Mitternacht. Besonderes im Bett gibt es viel zu tun.
Als
ich aufstand merkte ich nichts. Hände gewaschen und Zähne geputzt
öffnete ich den Kühlschrank auf der Suche nach etwas zum Frühstücken.
Der Kühlschrank war leer, die Marmelade stank fürchterlich. Das Datum
vom Butter war abgelaufen. So rächten sie sich an mir wieder. Tee und
Zwieback waren aber noch vorhanden. Wir waren uns in letzter Zeit ein
gutes Stück näher gekommen. Ich nahm die Teetasse in die Hand und ging
zum Tisch, auf dem das Päckchen Zwieback lag. Als ich mich setzen
wollte begann der grosse Horror. Mit einer qualvollen Wehklage sprang
ich vom Platz auf und war bitterlich erschrocken. Etwas hatte mich am
Po gebissen. Es war der erste Eindruck. Am Stuhl war nichts zu sehen,
keine Schlange, kein Skorpion, nichts. Ich ging erbleicht und
aufgeschreckt zum Spiegel, betrachtete den Po rechts und links und
entdeckte ein kleines rotes Punkt in der Mitte meines Pos . Ich tastete
es und spürte einen furchtbaren Schmerz. Wollte mein Po mich bestrafen?
Hatte ich ihn vernachlässigt? Hatte ich was Falsches getan oder gesagt?
Ich dachte nach und fiel mir nichts auf. Es ist zwar heutzutage nicht
ungewöhnlich, dass man bestraft wird ohne etwas angestellt zu haben.
Das Leben spielt launisch und ist manchmal merkwürdig. Dieses Spiel fand
ich aber nicht lustig. Ich hatte nicht viel Zeit darüber nachzudenken.
Machte mich fertig um raus zu gehen, natürlich ohne zu sitzen.
Jetzt hatte ich die grosse
Sorge den Tag ohne zu sitzen zu verbringen. Wie könnte ich den anderen
erklären, warum ich nicht sitzen kann, wenn sie mich baten mich
hinzusetzen. Sollte ich auf meinen Po hinweisen? Bestimmt würde jeder
darüber lachen, dann sollte ich noch genauer erklären was los war und
alle Augen würden sich auf meinen Po richten. Nein!
Es wäre ganz
peinlich. Aber wie sonst konnte ich erklären, dass ich nicht sitzen
konnte? Sollte ich behaupten, ich befand mich im Stehstreik gegen alle
Herrschaften, die nur an ihrem Tisch sitzen und nichts tun? Wer
interessiert sich überhaupt, das die Menschen streiken. Ausserdem ist es
lächerlich allein in Streik zu treten. Dafür brauche ich eine
Gewerkschaft, eine Gruppe der Gleichgesinnten, die lang genug auf den
Beinen bleiben und nicht aufgeben.
Auf einmal hatte ich eine geniale Idee, eine denagogische
Ausrede. Ja, ich fand es wahrhaftig. Ich konnte behaupten, dass ich
einem Glauben oder einer Religion angehöre, die mich verbietet vor dem
Sonnenuntergang zu sitzen. Warum auch nicht?
Es gibt genug Unsinn
auf der Welt. Es kann niemandem schaden, wenn ich auch Mal was
Blödsinnes erfinde. Es erregt keinen Verdacht. Zum ersten Mal in meinem
Leben entdeckte ich etwas Positives an Religion.
Das Problem scheint
gelöst zu sein. Ich konnte sogar behaupten, dass ich ein neuer Prophet
bin und würde mich nicht hinsetzen bevor ich die Herde der Menschheit
gerettet habe. Das wäre was. Das brauchte ich nicht zu klären oder
begründen und das ist was Gutes an jeder Religion. Es hilft immer, wenn
man überragende dumme Idee hat. Die Dummheit erleichtert die Seele.


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Ob ich von meinem grossartigen dummen Einfall Gebrauch gemacht habe weiss ich nicht. Und ich weiss auch nicht wie ich es fertig gebracht habe den sitzlosen Tag zu überleben.
Auf jeden Fall ist es mir gelungen, bis heute. Ja, es geht immer alles irgendwie.
Ich wundere mich masslos
über die Menschen, die nie sitzen können oder dürfen. Wie kann man
sitzen oder gar leben, wenn man ständig laufen muss um sein Brot zu
verdienen oder die Rechnungen auszugleichen, die nie aufhören das
Postfach zu verstopfen. In alten Zeiten dürfte man nicht in der Gegenwart
von Älteren, Oberen oder Königen sitzen. Es war undenkbar, unerlaubt
und sogar revolutionär. Man würde bestimmt bestraft. Kein König würde
es dulden und der König hatte immer Recht. Was für ein Unsinn. Ich
hasse alle Könige und alle Rechnungen. Ich liebe meinen Stuhl!!


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Heute,
der zweite Juni um Ca. 7 Uhr morgens habe ich mich bei meinem Hausarzt
gemeldet. Zum Glück sind wenige Patienten in der Praxis und ich kann
sofort dahin.




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Die Praxis liegt auf der Flemming Str. in Parkfeld, in Stadteil Biebrich, ganz in der Nähe meiner Wohnung. Der Arzt untersucht mich und sagt es sei ein Abszess, ein Infektionkiste und soll von einem Chirurg behandelt werden. Er kann selber das nicht tun. Er schreibt mir einen Überweisungsschein und schickt mich zu einer Chirurgischen Praxis in der Galatea Anlage, mit der Bemerkung, dass es sich um einen Notfall handelt und soll sofort untersucht werden.
Um
8 Uhr bin ich in der Chirurgischen Praxis. Die Praxis befinden sich im
ersten Stockwerk der Anlage. Die Praxis sieht wie ein Flüchtlingslager
aus. Es herrscht ein wildes Getümmel, ein riesiges Gedränge. Das
Wartezimmer ist überfüllt. Nicht nur alle Stühle sind besetzt, auch in
Zwischenräumen stehen Patienten. Der Flur und der Raum vor der Anmeldungstheke sind genauso voll. Ausserhalb der Praxis warten auch einige Patienten.
Zwei Ärzte und vier Schwestern arbeiten im Schnelltempo. Alle sind in Bewegung. Die Ärzte kommen aus einem Operationszimmer raus legen die Akten in einen kleinen, flachen Kasten, neben der Zimmertur,
erteilen Befehle an die Schwestern, gehen zur anderen Tür, nehmen die
neuen Akten aus dem Kasten und gehen ins Zimmer rein, dabei werfen sie ihren
Blick auf die Getümmel und freuen sich auf so viele Patienten. Die
Schwestern kommen nur Schwester mit soviel Arbeit zurecht. Zwei von
ihnen bewegen sich ständig zwischen den Operation Räumen und der Theke,
nehmen die Akten ab und versorgen die Kasten mit neuen.
Sie müssen auch den Ärzten bei Behandlungen zur Hilfe kommen.
„ ... wo bleiben die Laborwerte ...“ , ruft der eine Arzt. „ ... sofort Herr Doktor ... “
erwidert
eine Schwester. „ ... Die neue Röntgenaufnahme ...“ verlangt er
weiter. „ ... im Zimmer 2 brauche ich Hilfe ...“ ruft der andere Arzt.

... klein Moment Herr Doktor ..., keine ist momentan frei ...“. antwortet die
Schwester am der Theke, dabei fällt ihr eine Akte aus der Hand. „ ...
ich brauche aber jetzt Hilfe, was macht ihr vier?“
Die Schwester an der Theke hat die Hände, den Kopf, die Schulter und den Mund voll.
Es ist bewundernswert, mit welcher Geschicklichkeit, sie ihre vielfältige Arbeit bewältigt.
Ihre
linke Hand sucht oben in einem Kasten nach Akten. Die rechte Hand
ordnet die Akten am Tisch und schreibt Anmerkungen auf ihre Umschläge
oder füllt Formularen aus. Auf der linken Schulter hält die Schwester
mit ihrem nach links gebogenen Kopf den Hörer und gleichzeitig führt
sie die Telefongespräche. Ihre Hände fungieren automatisch. Sie braucht
nicht anzusehen ob die Hände die richtigen Akten bearbeiten. Ihre Hände
sind selbständig. Es wird hier nach Akkord- Prinzip gearbeitet. Die
Belegschaft scheint mit der Arbeit überfordert zu sein. Der eine Arzt
bleibt jedoch ganz ruhig, macht sich lustig und lebendig: „ ... ich
brauche Arbeit Schwester ...“
„ ... bald ist Mittag und ich habe noch nicht hundert Stücke geschafft ...“ ,
„ ... was für ein ruhiger, gemütlicher Montag ...“
Man
sieht, dass er seine Arbeit geniesst. Entspannt und gelassen macht er
weiter und motiviert auch die anderen. So wie er arbeitet, könnte man
sagen, er ist geboren um Arzt zu werden, für ihn gibt es keine andere
Alternative. Und ich denke bei mir, jede Beschäftigung adelt den
Menschen, wenn er sie leidenschaftlich betreibt. Er muss aus Süden
kommen, vielleicht aus Italien, soviel Temperament findet man kaum
woanders. Er muss ein Südländer sein. Später erfahre ich, dass er aus
Rumänien kommt.
Endlich bin ich an der Reihe mich anzumelden. Ich
erkläre schlicht und einfach was mit mir los ist und betone, dass es
ein Notfall ist.
„ ... Bitte tragen sie ihren Namen hier ein ...“ ,
sie gibt mir eine Auflistung von ca. 30 Eintragungen und fügt hinzu: „
... alle diese sind Notfälle, sie mussen Geduld haben. Alle Termin sind
heute voll. Nach dem Patienten, die einen Termine haben, wird die Liste
aufgerufen ... “, „ ... ein paar Stehplätzen im Wartezimmer sind frei
... “, ruft eine Arzthelferin und bittet die ausserhalb der Praxis
stehenden Patienten rein zu kommen. Eine junge Dame mit einem kleinen
Kind im Arm kommt aus dem Wartezimmer raus, wütend und aufgebracht: „
... Ich warte seit zwei Stunden und ich habe einen festen Termin ... “,
„ ... es ist eine Frechheit, ich habe auch anders zu tun als hier zu
warten ...“.
„ ... In Zukunft sollen sie noch länger warten meine
Liebe, wir haben die Öffentlichkeit schon gewarnt aber keine hat es
ernst genommen. Sie sollen sich bei Frau Gesundheitsministerin beschweren ... “. Sagt der Arzt im Vorbeigehen und verschwindet hinter einer Tür.
-
„ ... man kann nicht wissen wie lange es bei der einzelnen Patienten
dauert und wir haben auch viele Notfallpatienten ..., sie sollen Geduld
haben ..., tut mir Leid ...“, versucht die Schwester an der Anmeldung
sie zu besänftigen. Nach zwei Stunden im Flur komme ich ins Wartezimmer
und bleibe auch hier zwei Stunden stehen. Zum Glück gibt es einige
Patienten, die ebenso nicht sitzen können, so falle ich nicht auf. Ich
nehme ein paar Zeitschriften in die Hand und blättere in ihnen. Jede Menge
Zeitschriften voller nützlichen Raten und Werbungen für Frauen: ... wie
man Gewicht abnehmen kann ohne zu hungern, ... wie man für immer jung
bleiben kann, ...wie soll man die Falten bekämpfen, ... welche neue Beuty
- Produkte auf dem Markt sind, ... welche Farbe im Trend ist, ...
ausführlicher Bericht über den letzten Ball der Prominenten und ihre Glamour
, ... ein paar Tipps für Abendkleider und welche Farbe und welche
Frisur zu welcher Tageszeit passt, ... wie kann man seinen Hund
verwöhnen und wie sollen die Mahlzeiten der Katze gestaltet sein. Und
unzählige Kauf befehle: „ ...Denk an dich ...“
„ ... Du bist es wert ...“, „ ... ich fühle mich wohl mit ...“


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- „ ... Der Herr mit der Wunde auf dem Po bitte! ...“

höre ich eine Schwester laut rufen und beinahe fällt mir die
Zeitschrift aus der Hand. Ich komme schnell wieder zu mir und
beschäftige mich weiter mit den Zeitschriften. Alle Anwesenden schauen
einander an und lächeln. Keine vermag angesprochen zu sein und ich
überhaupt nicht. Eine jämmerliche Lage. „ ... wer hatte Po schmerzen?
...“,
da keine sich meldet ruft sie den nächsten Namen und ich fühle
mich erleichtert. Ich bleibe noch einige Minuten da und nach dem der
Vorfall vergessen ist gehe ich langsam aus dem Wartezimmer raus und
melde mich: „ ... haben Sie mich gerufen? Ich habe nicht bemerkt ...“.
Die Schwester nimmt die Liste in der Hand. Ihr ist schwer meine Namen
auszusprechen. Ich sehe, dass sie den Bleistift bei meinem Namen
gehalten hat. „ ... ja, das bin ich ...“ sage ich schnell bevor sie
weiter Theater macht.
- „ ... ins Zimmer zwei bitte, der Arzt kommt
gleich ...“ . ich gehe sofort rein, hinter mir erscheint der Arzt. Er
ist mein Lieblingsarzt.
- „ ... Bitte auf dem Bauch und Hose runter ...“, dabei zieht er seiner Handschuhe an.
Ich lege mich hin und mache ein kleines Stück vom Po frei. Er kommt zu mir, macht das Licht über das Behandlungsbett
an und zieht meine Hose ganz runter. Jetzt glänzt mein ganzer Po im
starkem Licht. Er untersucht die Problemzone, druckt leicht auf die
Wunde und merkt, dass es mir wehtut. „ ... Es ist ein Abszess ...“, sagt
er.
„ ... Es muss aufgeschnitten werden ...“, er studiert weiter meinen Po.
„ ... Ich muss tief rein um die Ursache entfernen zu können
...“. er singt ein fröhliches Lied und holt sich seine Werkzeuge. „ ...
Es tut aber nicht Weh, du bekommst Betäubungsmittel ...“
Ich frage ihn woher ich diesen Abszess bekommen habe und was die Ursache ist.

... du muss es dir so vorstellen: als lieber Gott dich geschöpft hat,
warst du eine einzige Zelle, wie ein Ball, ein leerer Ball. Dieser Ball
wurde im Laufe der Evolution abgeplattet , dann ist er gefaltet worden,
dann warst du wieder ein leerer Ball. Dann wieder gefaltet und so
weiter. Dabei wurden in den Zwischenräumen Fremdkörper gefangen
geblieben, zum Beispiel ein Stück Haar. Diese Fremdkörper verursachen
dann solche Wunden. Alles klar? ...“
„ ... Nein! Nichts ist klar.
Warum hat lieber Gott mich so komisch geschöpft? Was habe ich vom
leeren Ball? Ich wäre lieber eine Flasche leer! ...“
In diesem Moment bekomme ich zwei Spritzen und vergesse was ich sagen wollte.
„ ...Ja, junger Mann, es ist unangenehm. Aber es gibt schlimmeres auf der Welt. Glaub mir ...“
Ich habe keine andere Wahl als an ihn zu glauben.
„ ... Ziehen Sie ganz kräftig die zwei Teile auseinander, ich muss tief runter ...“, befiehlt er seine Assistentin. Ich fühle, dass vier Hände an meinen Po arbeiten und versuche an was schönes zu denken.
„ ... Die Arbeit eines Arztes ist nichts anders als die einer Hausfrau, meine Lieb ...“, erzählte der Arzt seiner Assistentin. „ ... Unsere Werkzeuge sind genauso wie die einer Küche. Man muss mit Messer, Schere, Spiess, Dosenöffner, Nadel und Ähnliches umgehen können ... Schneiden, Nähen, Aufräumen, Wegwischen und Po waschen gehören genauso zu unseren Aufgaben ... Nur wir Ärzte verdienen bisschen mehr als die Hausfrauen ...“.
Die Assistentin amüsiert sich an das Gespräch und vergisst nicht immer kräftiger an meinem Po zu drücken.
„ ... Siehst du, hier sie die richtige Stelle. Bis dahin muss der Nadel rein und von hier kommt er wieder raus, dann ist der Nat perfekt.“
„ ... Nun junger Mann, ist das Loch am Arsch wieder zu. Vorerst ist es fertig. Du muss morgen zur Kontrolle wieder kommen ...“, diesmal spricht er mich an.
„ ... du hast es sehr gut gemacht. Ich liebe es , wenn der Patient ruhig bleibt und unsere Arbeit nicht stört. Ich weiss nicht wer du bist und was du machst aber als Patient bist du wunderbar ... komm wieder zu uns, wenn du uns brauchst ... Es mir eine Vergnügung an deinen Arsch zu arbeiten ...“.
„ ... Es ist nicht zu glauben, dass so ein kleine Wunde eine so Größe Operation benötigt und so viel zeit kostet ...“, unterbreche ich ihn vorsichtig.
„ ... ha, ha, ..., das nennst du Operation? ... Es war keine Operation ... Es war ein Eingriff ...“ sagt der Arzt und wendet er sich an seiner Assistentin und fragt sie: „ ... Weisst du was ein Eingriff ist? ...Nein? ... Ich sage es dir ...
... Als ich nach Deutschland kam, damals, lange her, vor fünfzig Jahren, vielleicht noch länger, damals herrschten hier ganz andere Verhältnisse. Damals haben wir nur gebrauchte Kleidungen gekauft. Keine könnte es sich leisten neue Klamotten zu kaufen. Es war ein Luxus was Neues zu haben. Als ich zum ersten Mal arbeitete und Geld verdiente, entschied ich mich voller Stolz neue Unterhosen zu kaufen. Ich ging in ein Geschäft und wollte ein Paar neue Unterhosen. Darauf fragte mich der Verkäufer: „ ... mit Eingriff oder ohne? “
... Weisst du dieser Begriff kommt aus Militär und ist später auf männliche Unterhose übertragen ... Es bezeichnet eine strategische Stelle, die für jegliche Operation geeignet ist ... Jetzt weisst du was Eingriff heisst ...“

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Am Donnerstag 12 Juni bin ich wieder im Praxis und hoffentlich zum letzten Mal. Heute sollen die Faden raus gezogen werden. Es ist mein viertes Besuch in dieser Praxis und wünsche mir nichts anderes als, dass das Kapitel Po endlich abgeschlossen wird.
„ ... Bitte nehmen Sie ein kleines Moment Platz ...“, sagt mir das anmutige Mädchen an der Anmeldung. Inzwischen weiss ich was „ ein klein Moment „ in dieser Praxis heisst.
Bei den letzten Besuchen haben diese kleine Momente nicht weniger als drei Stunden gedauert. Die Leute hier gehen sehr grosszügig mit der Zeit um, natürlich mit der Zeit der Patienten. „ ... Soll ich vielleicht später kommen? Das Wartezimmer ist Voll. Es dauert bestimmt, bis ich daran bin ...“ frage ich sie.
„ ... Ja, Sie können in zwei Stunden wieder kommen, dann dauert es nicht mehr lange ...“
Nach zwei Stunden komme ich wieder in die Praxis. Ich höre sofort eine bekannte Stimme und weiss, dass ein Lieblingsarzt heute wieder da ist.
„ ... Ich brauche jemanden, der sich um mich kümmert ..., Warum kümmert sich niemand um mich? ..., ... meine liebe Schwestern, warum habt ihr mich verlassen? ...“
Diesmal warte ich weniger als zwei Stunden im Wartezimmer und werde dann in ein Operationzimmer geschickt. Der Arzt wird angeblich irgendwo gehindert und lässt mich warten. Zwei Schwestern kommen rein und wollen die Faden raus ziehen. Man weiss nicht wie lange es dauern würde bis der Arzt zu mir kommt.
Ich lege mich auf dem Bauch hin und mache den Po frei.
„ ... Die sehen gut aus ..., siehst du, diese alle hier müssen wir raus ziehen ...“, sagt eine der anderen und fangen zusammen an zu schneiden und ziehen.
„ ... Au, ... Au, ...“, schreie ich vom Schmerzen zum Himmel. „ ... Warten wir lieber bis der Arzt kommt, ich finde den Faden nicht ...“.
Die Schwestern unterbrechen ihre Arbeit und holen den Arzt ab.
„ ... Gib mir eine Schere und einen Klammer ... „, sagt der Arzt, während er die Stelle untersucht. „ ... was habt ihr gemacht meine lieben ...“, fragt er die Schwester.
„ ... Wir haben ein paar Faden raus gekriegt die anderen waren aber schwer ...“, antwortet leise eine der Mädchen.
„ ... Nein! ... ihr habt dem Man seine Haare raus gezogen! ...“ , schreit laut der Arzt und nun weiss ich warum es so sehr weh getan hat. Die Schwester wehrt sich aber: „ ... Was kann ich dafür, dass der Mann soviel Haare am Po hat?? „, und die andere fügt hinzu: „ ... Seine Haare sind so dick wie Faden, da kann man eine mit der anderen leicht verwechseln ...“.
„ ... Ihr arbeitet in einer Chirurgischen Praxis, nicht in einem Frisur-Salon! ...“
Beschwert sich der Arzt und beschäftigt sich weiter mit dem Naht.
„ ... Nun junger Mann, du hast eine Extraleistung von uns bekommen. Das Haar entfernen bezahlt die Versicherung nicht. Das soll man eigentlich selbst zahlen. Aber du brauchst es nicht zu zahlen nur, weil du ein braver Patient bist ... unsere Arbeit kommt hier zu Ende, ... ich wünsche dir und deinem Arsch Alles Gute ...“

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Ich verabschiede mich von dem Arzt und den Schwestern und verlasse die Praxis. Hinter mir höre ich den Arzt wieder laut:
„ ... Mein Gott warum hast du mir nur zwei Hände geschenkt ..., ich brauche immer vier, ... Schwester wo bleibst du ...“.


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ENDE

Sonntag, 8. Juni 2008

Aus meinem Tagebuch

------- Aus meinem Tagebuch:

** 9. Mai **

Ich stehe wie der dumme August vor dem Fahrkartenautomat und will eine Fahrkarte nach Wiesbaden. Zweimal habe ich die Anweisungen am Automat gelesen und zweimal habe ich die falschen Nummer getippt. „ Bitte geben sie die richtigen Zielnummer an! „
Meldet der Automat wieder. Bin ich blöd?
Wahrscheinlich ja !
Ich bin am Südbahnhof in Frankfurt. Es ist Frühabend und ich will endlich nach Hause. Ein langer Tag war es. Ein langer Tag am „ Goethe Institut“ . Und ich habe die ganze Zeit nur geschrieben, ohne zu denken. Es war ein Wettmarathon. Eine sinnlose Schreiberei kommt es nur vor.
Heute bin ich eine Schreibmaschine gewesen. Ich habe aber nur das geschrieben, was die anderen von mir verlangt haben und nicht das, was ich selber will. Heute war ich eine vorgesteuerte Maschine. Ursula hatte mich vorprogrammiert.
„ .... Bitte geben sie die richtige Zielnummer .... “ meldet kaltblütig wieder der Automat. Ich bin kaputt, fix und fertig. Dieser langer Tag hat mich kaputt gemacht. Kein Wunder, dass ich jetzt durcheinander bin. Aber dieser Automat ist noch dummer als ich. Es sinnvoll, wenn Ursula einmal die ganze „ Deutsche Bahn “ neu programmieren würde.
Beim nächsten Versuch tippe ich die richtige Nummer für Wiesbaden. Es ist 65. Dann kommt die nächste Etappe. Bin ich Erwachsener oder Kind?
Zwar verhalte ich mich manchmal wie ein Kind, aber das ist hier nicht entscheidend. Und ich bin heute ein Schulkind gewesen. Ein Schulkind, das bis zum Schweißen geschrieben hat. Aber das zählt ebenso nicht. Ich bekomme keine Ermäßigung, muss also den vollen Preis zahlen. Jetzt stellt sich die nächste Frage. Einzelfahrt oder was anders .....
Ich hasse die Fragen. Ich bin heute unter einer Unmenge von Fragen zerquetscht worden.
Ich will keine Fragen mehr. Ich will ein Leben ohne Fragen. Ein fragenloses Dasein. Ich wünsche mir nur noch Antworten. Ein Leben voller Antworten. Und Antworten ohne Fragen. Und ich träume von einem Leben ohne Fahrten, ohne Wege, nur mit Ziel. Mit vielen Zielen. Auf einmal fällt mir ein, dass ich immer unterwegs gewesen bin ohne ein Ziel erreicht zu haben, ohne irgendwo zur Ruhe gekommen zu sein. Nur unterwegs, unablässig unterwegs, wie ein Ahasver, wie der „ Ewige Jude “ ... „ Correr es mi destino “ , würde Gloria sagen.
Der Spaß mit dem Automat ist immer noch nicht zu Ende. Sechs Euro und fünf und siebzig Cents verlangt er für die Fahrt nach Wiesbaden.
Nicht nur Menschen, sondern auch die Maschinen, die Metalle und die Steine pumpen uns aus. Alle wollen unser Geld. Und alle wollen immer mehr. In der Regel bekommt man Geld nur einmal in Monat aber jeder muss täglich hunderte Male zahlen. Mir wäre es lieber, wenn ich ständig was bekommen und einmal im Monat zahlen sollte.
Ich schaue nochmal den Preisanzeiger an. Er zeigt immer noch 6,75 € und ich ärgere mich. Ich komme auf die Idee diesmal schwarz zu fahren. Soll ich schwarz fahren und ein paar Euros sparen? Ich verzichte darauf. Nicht, weil ich ehrlich bin oder es unfair finde, sondern vor Angst. Angst von Ärger. Ich könnte dadurch mehr Ärger bekommen.
Für heute aber habe ich genug gehabt. Ich erspare mir lieber Ärger und bezahle diesem geldgierigen Automat den Fahrpreis. Also wird heute mit Schwarz fahren nichts. Aber wenn ich nicht Schwarz fahre, wie fahre ich dann? Fahre ich Weiß? Fahre ich bunt? Oder fahre ich antischwarz? Warum heißt es eigentlich Schwarz fahren? Wieso hat sich dieser Ausdruck durchgesetzt? Hat sich jemand dafür entschieden? Wer entscheidet über unsere Terminologie?
Muss unbedingt alles, was uns nicht gefällt schwarz sein? Alles, was unbeliebt, unfair, unangenehm oder Unsinn ist, muss schwarz heißen? Warum heißt es nicht, sagen wir mal, Weiß fahren oder Blond fahren oder gar Blöd fahren?
Blond fahren hört sich besser an. Das würde ich öfter tun. Heute wird jedoch antischwarz gefahren. Ich habe sowieso bezahlt.
Am Gleis vier steige ich ein. Es ist die S-Bahn Linie fünf Richtung Friedrichsdorf.
Es ist ziemlich leer. Es gibt jede Menge Platz und ich kann zwischen den vielen Sitzmöglichkeiten wählen. Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass ich freie Wahl habe. Es ist ein gutes Zeichen. Es ist sehr erfreulich, wenn man viele Möglichkeiten hat, wenn man viel Platz hat. Man fühlt sich leichter und man wird ruhig. Da ich die Freiheit zur Wahl habe suche ich mir einen günstigen Platz am Fenster und mache es mir bequem.
Es ist Mai. Ich weiß nicht ob der 9. Tag des Monats zu seinem Anfang oder zu seiner Mitte gehört. Vielleicht zu beiden, vielleicht aber zu keinen. Auf jeden Fall es ist ein sonniger warmer Maitag. Da die Sonne direkt auf mich scheint, wechsele ich meinen Platz. Unter der Sonne wird mir unbehaglich. Mir wird zu warm. Die Sonne brauche ich nie mehr im Leben. Ich habe genug getankt.
An der Hauptwache muss ich umsteigen. Die S-Bahn Linie 8 fährt weiter nach Wiesbaden. Ich steige ein. Diesmal ist der Zug voll. Ich finde nur schwer einen freien Platz. Viele anderen müssen stehen bleiben. In jeder Station steigen mehr Leute ein als diejenigen, die aussteigen. Es wird wärmer und wärmer. Ich ziehe meine Jacke aus. Es hilft nicht viel. Am Flughafen steigen viele Gäste aus aber werden sofort durch neue Gesichter ersetzt. Der Zug bleibt voll und fährt weiter. Eine elegant gekleidete Blondine nimmt mir gegenüber Platz. Sie hat einen Hosenanzug an und schleppt einen Pilotkoffer mit sich. Ihr Anzug ist dunkelblau, fast schwarz. Um den Hals trägt sie ein gelbes Halstuch, das sorgfältig gewickelt und vorschriftsmäßig geknotet worden ist. Die Blonden Haare hat sie am Hinterkopf zusammen gebunden. Sofort holt sie einen kleinen Spiegel aus der Tasche raus. Macht die Harre zu recht, kontrolliert ihr Gesicht und ihren Sakko und macht sich frisch. Sie wirkt sich selbstbewusst, sicher, voller Energie und ignoriert alles um sich herum, als wäre sie allen anderen überlegen. Sie ist sicher, dass sie Aufmerksamkeit erregt hat und weiß genau, dass viele Blicke auf sie gerichtet worden sind.
Sie nimmt ein Taschenbuch in die Hand. Legt das rechte Bein auf das Linke. Dabei bewegt sich ihr kleiner Köpf nach hinten und ihre mächtige Hüften nach vorne in meine Richtung. Einen kurzen Augenblick treffen sich unsere Blicke. Sie zieht sich etwa zurück und ich sehe sofort in eine andere Richtung weg. Ihr Augen sind grün, wie die einer Katze, scharf und giftig. Ich will ihre Augen genauer anschauen, wage es aber nicht, vielleicht später. Sie vertieft sich in ihr Buch und ich vergesse sie eine Weile.
Ich werde wieder auf sie aufmerksam, als sie sich ein Paar Mal bewegt und tief atmet.
Man merkt, dass es ihr zu warm ist. Sie nimmt wieder eine stabile Sitzpositionen, fünf und vierzig Grad, Richtung Nordosten. Diesmal macht sich die andere Hälfte ihrer Hüfte bemerkbar. Sie öffnet den obersten Knopf an ihrem Hemd und ich warte auf den zweiten. Ich finde die Temperatur in der S- Bahn warm genug. Man könnte eigentlich mehrere Knöpfe öffnen. Sie öffnet den zweiten und ich warte auf den dritten.
Das passierte aber nicht. Sie merkt, dass ich sie beobachte. Sie schneidet Grimasse und ohne was zu sagen schimpft sie mich lautlos nur mit ihren giftigen Augen. „ Du mich auch “ erwidere ich in meinen Gedanken. Ich würde ihr was sagen aber ich halte mich zurück. Sie könnte mir eine Ohrfeige verpassen, denke ich bei mir. Der Abstand zwischen uns ist gering, nur ein Katzensprung.
Sie zieht den Sakko aus, dabei sieht sie, dass ein Knopf locker ist. Sie verliert keine Zeit. In der Tasche hat sie eine ganz kleine, flache Packung, nicht großer als ein Quadrat von 5- Zentimeter Länge. Vier oder fünf Nadeln in verschiedenen Größen und Fäden in unterschiedlichen Farben sind die Bestandteile dieser Packung. Es ist erstaunlich, was sich alles in einer kleinen Kulturtasche einer Dame befindet, sehr praktisch und nützlich. Eine Blondine ist für jede böse Überraschung vorbereitet. Sie sucht die richtige Nadel und wählt einen passenden Faden. Der Faden lässt sich nicht leicht ins Loch stecken.
Die ersten zwei oder drei Versuche scheitern schnell, da der Zug sich unstetig nach vorne bewegt. Sie beißt kräftig an Faden und überprüft noch einmal das Loch an der Nadel, konzentriert sich, holt tief Luft, macht die Augen weit auf, nimmt sich Zeit und versucht nochmal das Loch zu erobern.
Der Faden stößt gegen den Lochrand und verfehlt das Ziel. Das Loch ist einfach zu klein. Kleine Löcher sind nicht immer vorteilhaft. Vielleicht ist der Faden zu dick, oder die Konstellation ist ungünstig. Dem Anschein nach sind diese Instrumente für eine Näharbeit im Zug nicht geeignet. Aber eine emanzipierte, moderne Dame gibt nicht einfach auf. Sie weiß sich zu helfen. Sie beugt sich nach vorne in Sonnenlicht, positioniert den Faden und den Nadeln und wartet auf einen günstigen Augenblick. Der Augenblick kommt und die Blondine verletzt sich. Die Nadelspitze trifft ihren Finger. Es ist der wichtigste Finger. Der grösste, der in der Mitte sitzt.
Ein Tröpfchen Blut kommt raus. Sie bekommt Angst. Schnell steckte sie den blutenden Finger in den Mund und saugt auf. Der Finger bleibt vorerst da, bis sie wieder zu sich kommt. Sie holt den Finger raus und betrachtet ihn von allen Seiten. Er ist sauber. Das Blut hat ihr gut getan. Beim nächsten Versuch besiegt sie das Loch und führt den Faden erfolgreich hinein.
Jetzt fängt sie mit der Näharbeit an. Zuerst fixiert sie den Knopf richtig am Platz, mit kleinen Drehung nach links, nach rechts und in allen Himmelrichtungen und näht. Sie zieht den Faden kräftig hin und her und probiert jedes mal die Festigkeit und die Position des Knopfes. Mit Pedanterie und Spinneneifer macht sie weiter.
Es gibt nichts wichtigeres auf der Welt als ein kleiner, runder und schwarzer Knopf auf dem Sakko einer Blondine, die in einer S -Bahnzug von Frankfurt nach Wiesbaden fährt. Und es gibt keine größere Herausforderung auf der Welt, als diesen Knopf in einem auf dem Schienen polternden Zug, vorschriftsmäßig zu nähen. Die Formanzuge sind ein wesentlicher Teil des Arbeitsdisziplins und wer sich für Disziplin einsetzt weiß genau, dass jeder Knopf fest und sicher sein muss.
Ein Knopf muss gegen alle Belastungen widerstandsfähig und beständig sein. Der Knopf am Sakko ist schon gegen jede Spannung befestigt. Trotzdem fährt die Blondine ein paar Mal durch die Löcher des Knopfes und erhöht so den Sicherheitsfaktor . Jetzt ist der Knopf nicht nur gegen Druck und Tension ,sondern auch gegen Biegung und Torsion und überhaupt gegen alle Belastungsformen stark und stabil.
Sie verdient einen Applaus, der nicht kommt, denn die Welt ist nicht immer gerecht. In diesem Moment erreicht unser Zug den Hauptbahnhof Mainz.
Die Mehrheit der Passagiere steigen aus. Nur wenige bleiben im Zug, die Blondine bleibt auch sitzen. Sie ist also eine Wiesbadenerin. Anders konnte es nicht sein. Es ist unverkennbar woher sie kommt. Man kann ihren Herkunft in ihren Augen, in ihren schiefen Blicken ablesen.
Ihre Selbstbewusstsein, ihre Ausstrahlung, ihre Überlegenheit, ihre süße, nach oben gerichtete Nase, vor allem aber ihre Entfremdung und insbesondere die festen und professionell eingesetzten Knöpfe an ihrem Sakko rufen laut: „ ich bin eine Wiesbadenerin “.
„ Nächste Halt. Wiesbaden Hauptbahnhof. Endstation. Bitte alle aussteigen “, hört man den Lautsprecher mitteilen. Alle machen sich bereit auszusteigen. Als die Blondine aufsteht, fällt ein Knopf von ihrem Sakko auf dem Boden. Sie hebt ihn auf und lächelt lustig aber mit viel Selbstbeherrschung. Es ist nicht so schlimm. Sie hat nur den falschen Knopf genäht!!

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ENDE