Es sind immer die Augen, die als erstes funkeln und den Stein ins Rollen bringen. Und ich habe eine Schwäche gegenüber den Augen, die groß sind und Hell, die frech angucken und mich einladen. Deine waren aber klein, trotzdem habe ich mich verloren, weil dein Blick groß war und etwas Geheimnisvolles in sich hatte. Etwas imponierte mich und sagte, dass du was Besonderes warst. Ich wusste nicht in wie fern aber du hast mich seltsam angeschaut, mit deinen Augen, die eigentlich nicht mehr sehen können aber scharf und feindlich waren. Du hast mich angeschaut mit einer Liebe, die man nur von einem Feind erwarten kann und gerade das hat mich verzaubert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man die Güte nicht von Freunden, sondern von Feinden bekommen kann. Es sind meistens diese bittere Feindseligkeit und der unbegründete Hass, die oft zu festen Freundschaften führen und herzliche Zuneigungen erzeugen. Begründete Liebe haben fast immer ein trauriges Ende und können viel Unheil hervorbringen. Ich habe in Dir ein einzigartiges Wesen gesehen. Aus unsinniger Vermutung vielleicht, oder törichter Hoffnung. Und vielleicht einfach so, ohne Grund, ohne Anlass, einfach so, weil es mir Spaß macht unvernünftig zu sein, mich außerhalb der Rahmen zu bewegen und Dummheiten zu treiben. Ich finde es aber keine Dummheit. Du bist eine anständige Maus, ohne Namen und ohne Ausweis und ich bin eine anonyme Laborantin,die jeden Tag zwischen 80 Millionen verloren geht und am Ende in diesem Labor landet, das mein Arbeitsplatz ist. Ich führe ein Leben das gar nicht mein Leben ist. Ich wohne in einer Wohnung, die meinem Vermieter gehört. Ich fahre ein Auto auf Raten. Ich habe einen Freund, der einer anderen gehört und ich lebe in einer Stadt, die ich liebe, die aber mich nicht liebt. Wir passen gut zusammen. Wir sind zwei Verlorene, die in ihrer Verlorenheit zu einander finden.
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Du warst im Stall. Da habe ich dich zum ersten Mal gesehen. Der Stall gehört zu unserem Institut und liegt eine Etage tiefer als mein Arbeitsplatz. Und mein Arbeitsplatz war Dein Schlachthof. Ich sollte dich abholen und für weitere Experimenten vorbereiten. Ich habe Dich zuerst mit einer Spritze getötet, aber ganz vorsichtig und nett. Bist Du nun böse auf mich? Weißt du meine Liebe, Töten oder auch Morden hat viel Namen und viele Gesichter. Irgendwo wird im Namen der Demokratie getötet. In einem fernen Land toten und sterben unsere Soldaten um unsere Grenze zu verteidigen. Was ich dir und Deinem Leben angetan habe heißt Forschung, heißt Arbeit und ich musste das tun. Ich bin verpflichtet meine Arbeit so zu erledigen, wie es von mir verlangt wird. Wie Du dabei empfindest ist Wurst, Es ist eine allgemein gültige Regel. Millionen von Menschen tun Sachen, deren Sinn sie überhaupt nicht verstehen. Oder finden es nur am Anfang schwachsinnig und später gewöhnen sie sich daran. Frag mich bitte nicht warum. Du bist kein Mensch und Du kannst solche Dinge nicht verstehen. Die Menschen sind komplizierter als die Mäuse. Du bist eben nur eine Maus. Du brauchst die Menschen nicht zu begreifen. Du darfst nicht und du muss es nicht. Ehrlich gesagt, können die Menschen sich selbst nicht verstehen.
Aber sei nicht traurig! Was willst Du von Deinem Leben als Maus? Hätte ich dich nicht verarbeitet, wärst du jetzt bestimmt im Maul einer Katze. So oder so kommt eins raus. Bei mir heißt es wissenschaftliche Arbeit und nicht Fressen oder Jagen oder Töten. Ich werde dafür sogar bezahlt, in dem ich am Monatsende meinen Lohn bekomme. Obwohl nur armselig und dürftig, aber die Bezahlung reicht gerade aus um zu überleben und meine Arbeit fortzusetzen, an Dir und Deinesgleichen.
Du kannst stolz auf dich sein meine kleine tote Maus. Du hast der Menschheit einen großen Gefallen getan, in dem du dich opfern lässt, und wir Menschen an deinem Körper herum schmusen und neue Kenntnisse erwerben können. Diese Kenntnisse sind wertvoll. Wir brauchen immer neue Daten, jedoch nur für Menschen und nicht für die Mäuse, an denen wir experimentieren. Es klingt komisch, aber wie soll ich Dir erklären. Es gibt nichts auf unserer Welt, was nicht komisch ist und damit muss man leben. Wir experimentieren mit Euch, weil die Menschen noch nicht reif sind sich freiwillig für solche anzumelden. Sie wissen nicht wie wichtig die neuen Auskünfte und Informationen für ihre Zukunft sind. Unsere Arbeit wird nicht hoch genug bewertet, sie wird unter schätzt, sonst hätte ich erheblich mehr verdient und ein anständiges Leben gehabt.
Du muss zufrieden sein mit Deinem kurzen Leben. Bestimmt wirst du es in deinem nächsten Leben besser haben. Seitdem ich dich verarbeitet habe bzw. Du dich geopfert hast für die Menschheit, gehörst du zu einen kleinen Kreis von ausgewähltem und ausgezeichneten Wesen an, die in einer anderen Welt zu höchstem Grad erhoben werden und ein überaus prächtiges Leben genießen werden. Du kannst dich schon darauf freuen und ich beneide dich maßlos. Du gehörst nunmehr zu jenem heiligen Kreis, zu dem auch Jesus gehört. Weißt Du, er war auch einer wie Du. Er hat auch sein Leben geopfert um den Menschen was Gutes zu tun, um die Menschen zu retten oder so. Er war reif genug. Oder er war wahnsinnig genug sich freiwillig zu opfern. Obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob er es freiwillig getan hat oder es nicht sein Pflicht und seine Aufgabe war freiwillig zu sterben. Vielleicht war er gezwungen wegen seines Lebensunterhalts, dies zu tun. Auf jeden Fall hatte er den Befehl dazu von seinem Vater bekommen. Ob er gegen die Autorität seines Vaters was zu sagen hatte, kann keine wissen. Weißt du, mein eigener Vater war auch so eine Autoritätfigur und hat ständig Befehle erteilt die ich nicht gehört habe. Ich habe auf seine Autorität gepfiffen und ihn verlassen. Mein Vater war fast so grausam, wie der von Jesus. Ich war jedoch nicht gut genug den Befehlen Folge zu leisten.
Ich war nicht Maus genug!!
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Habe ich dir erzählt, dass ich eine Weile Maus gewesen bin? Tatsächlich bin ich es gewesen. Jedenfalls für den Jungen, mit dem ich ein paar Jahre zusammen war. Ja. Er hat
mich immer meine kleine Maus genannt. Er war furchtbar romantisch und äußerst langweilig. Ob er in mir ein Versuchobjekt gesehen hatte, kann ich nur zum Teil stimmen, glaube ich. Vielmehr wollte er mir seine Zärtlichkeit und seine Liebe zeigen. Ich glaube, ich war seine erste Liebe und er hat mich sehr in Anspruch genommen. Von Liebe kannte er nichts anders. Idiot!!
Dich mag ich aber wahrhaftig. Ich habe keine Geheimnisse von dir. Ich bin ehrlich zu dir und erzähle dir alles, was an meinem Herzen liegt. Obschon ich dich verarbeitet habe, aber das ist was anderes und dafür gibt es gute Gründe. Ich habe keine Zeit gehabt und kein Chance dich vorher kennen zulernen. Erst nach Deinem Tod habe ich dich entdeckt. Und gerade das ist ein Beweis, dass du eine gute Maus bist, eine besonders liebenswerte. Sowie es bei Menschen üblich ist. Die guten Menschen werden auch wie Du erst nach ihrem Tod entdeckt, geehrt und geschätzt. Siehst du kleine!, das Leben ist eine Mauer, ein Hindernis das uns voneinander trennt. Das Leben hält uns im Abstand zueinander. Aber der Tod, der Tod ist freier Zugang, ist Nähe und Verständnis. Unsere Gehirne funktionieren erst nach dem Tod. Genauso, wie unsere Augen nach dem Tod besser sehen. Ich sehe Dich jetzt besser und fühle dich näher und unmittelbar weil du nun in einem kleinen Becher in meiner Tasche liegst und mich überall begleitest.
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Hast du von der Sporthochschule gehört? Es gibt nur eine, und das sind wir. Kennst du die molekulare und zelluläre Sportmedizin? Das sind auch wir. In so einem Institut arbeite ich, so einen großen Namen tragen wir. Und ohne euch wären wir namenlos. Ja, da arbeite ich, und jede Menge Mediziner.
Weißt du, die Ärzte und die Mediziner sind Fachleute die ihr Handwerk gar nicht kennen. Weil keiner weiß wie ein Mensch funktioniert. Sie experimentieren nur an Patienten. Wenn die Behandlung nicht erfolgreich läuft soll der Patient noch mal zum Arzt. Es gibt keine Garantie in der Medizin. Aber wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe, bekomme ich ein Jahr Garantie für alles, was an meinem Auto durchgeführt wird. Und wenn mein behandelter Zahn nach ein paar Tagen wieder schmerzt oder kaputtgeht, gibt es darauf gar keine Garantie. Ich denke wenn man klug ist heut zu Tage, dann muss man Medizin studieren und keine Technik. Dann kann man mit einigen fremden, unerhörten Wörtern dem Patient vormachen, dass seine Krankheit ein komplizierter und unerforschter Fall wäre, und daher soll er sich keine große Hoffnung machen, so einfach geheilt zu werden. Und der Patient wird sich dann freuen, dass er überhaupt noch lebt. So sind wir alle die mit Medizin zu tun haben. Und du bist jetzt tot, weil du in einen Stall gelandet bist, der zum Schlachthof gehört, unserem Labor.
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Ich habe dich mitgenommen, in einem Becher, gefüllt mit einer Flüssigkeit, einer 0,1 Molare PBS. Du hast mir Freude bereitet. Mit Deiner Gegenwart, mit Deinem Verständnis und damit, dass du mich so annimmst, wie ich bin, ohne mir Vorwürfe zu machen wegen meiner Einseitigkeit, meiner falschen Wörter, meiner dummen Einfälle, meiner schlechte Laune und wegen hundert anderen Tadeln, die meine Mitmenschen so leicht an mir entdecken. Und du hast mich beglückt mit Deiner Geduld und mit deiner Nachsichtigkeit, die einen ewigen Frieden spendet und ein dauerhaftes Glück.
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Wir sind vier MTAs Mitarbeiterinnen in unserem Institut. Weißt du was eine MTA ist? Ich weiß es nicht genau. Wir sind etwas wie Eures Schicksal. Wir sind da um euch auseinander zu nehmen und zu studieren, weil ihr die voll kommenden Kreaturen seid, weil ihr klein seid und handlich und bei euch alles stimmt, alles was bei uns Menschen nicht stimmt. Wir sind da um euch besser kennen zu lernen und Durch euch uns selbst zu helfen. Und doch wissen wir zu wenig über euch und noch weniger über uns selbst. Ich glaube aber du bist anders und kannst mir vieles beibringen, wenigstens über meine Kolleginnen im Labor.
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Neben mir arbeitet ein Mädchen, das furchtbar nett ist, so nett, dass sie in menschlicher Gemeinschaft gar nicht passt. Daher hat sie schon längst die Welt der Mitmenschen verlassen und hat sich in die Welt der Mithunde eingewöhnt. Sie besitzt zwei Hunde und diese beiden bilden ihr ganzes Leben. Vom Morgens bis Abends erzählt sie vielerlei Blödsinn über die Tiere an deren Spitze die Hunde sitzen. Sie hat neulich herausgefunden, dass Hunde eigentlich die echte Menschen sind, die von einer anderen Gruppe der hinterlistigen Menschen in ihrer Entwicklung gehindert worden sind. Das alles sieht sie in der vornehmlichen Tugend ihrer Hunde. Und sie ist sich sicher, dass alle guten Menschen nichts anders sind als die Nachfolger der Hunde. Und Menschen sind die fehlentwickelten Tiere, die ihren hundigen Ursprung völlig verloren haben. Sie hat keinen Zweifel daran, dass am Ende die Güte das Böse besiegt. Dann befreien sich die Hunde aus der Herrschaft der Menschen und vollenden ihre verzögerte Evolution. Sie vertreiben danach die Menschen aus ihrer bevorzugten Position. Breiten ihre Herrschaft aus und kontrollieren die ganze Welt. Und ich habe ihr einmal gesagt, dass Hunde sich nicht soviel Mühe machen müssen, mit Evolution, Entwicklung und so weiter. Schon jetzt kontrollieren sie unsere Welt. Muss man unbedingt einen Schwanz haben um ein Hund sein zu können?
Und sie kann keine Männer leiden, deren Liebe zu Hunden nicht größer ist als ihre Liebe zu Frauen. So hat sie mit ihrem Ex Schluss gemacht. Als er einmal auf die Hunde neidig war, sich beschwerte, dass die Haustiere mehr Aufmerksamkeit bekommen als er. Seitdem macht sie, bevor sie in einer Beziehung eingeht, einen wissenschaftlichen Versuch um den eventuellen Partner und seine Hundefreue zu testen. Leider hat bis jetzt keine diesen Test bestanden. Sie gibt aber nicht nach. Bleibt hartnäckig und will den Test auf keinen Fall erleichtern. Und sie hat schon in ihrem Testament vermerken lassen, dass ihr Körper nach dem Tod zum Hundefutter verarbeitet werden kann.
Guten Appetit liebe Hunde!!
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Und da arbeitet bei uns auch ein bizarrer Typ. Ein Mädchen aus einem fremden Land, das ich nicht kenne. Aus einem fernen Land, irgendwo am Arsch der Welt, wo die Mädchen in der Regeln nicht reden dürfen, und sie redet viel. Sie kommt aus einem Land, wo die Mädchen sich einpacken und verhüllen sollen. Damit sie immer unsichtbar bleiben. Sie ist aber nicht unsichtbar, aber dafür undurchschaubar. Und sie hat mehr Glück als Verstand. Sie lebt hier im Rheinland, spricht aber irgendwie hessisch, mit einem unhessischen Akzent. Weil sie oft nach Wiesbaden fährt und ihr Glück dort versucht. Natürlich hat so eine hier keine Chance. Und sie kennt sich mit der Politik gut aus und besitzt Schauspielkunst, aber alles im negativen Sinn. Sie ist gar nicht hübsch, wirkt aber verführerisch. Und weiß die Weiblichkeit gut einzusetzen. Sie bildet sich ein besser zu sein als alle anderen, nimmt meine Verbesserungsvorschläge nicht an, glaubet zu viel an sich selbst und lässt sich nichts sagen. Sie setzt sich beim Chef in Gunst, schmeichelt ihm und biedert sich bei ihm an. Um sich durchzusetzen ist ihr jedes Mittel heilig. So eine ist sie. Ich kann sie nicht leiden.
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Du bist seit zwei Tagen bei mir. Zwei schöne Tage des friedlichen Zusammenlebens, mit Ruhe und Freude. Du hast mir Gesellschaft geleistet und ich habe Dir mein Leben erzählt. Nichts ist zwischen uns schief gelaufen weil du dich sehr brav verhalten hast. Du bist echt vernünftig und du hast viel Mitgefühl gezeigt auch wenn ich mal Unsinn gebabbelt habe. Und Du hast nichts von mir verlangt, nicht Mal was Unanständiges!
Wären die Männer halb so vernünftig wie du, wäre die Welt halb so schlimm!
Morgen muss ich dich ins Institut zurück bringen. Damit trennen wir uns endgültig voneinander. Du wirst weiter einen sinnvollen Weg gehen und ich bleibe immer noch eine MTA in einem kleinen Gebäude mit einem großen Namen. Ich muss mich wieder über manche Kollegen ärgern, muss wieder hoffen, dass mein Chef gute Laue hat und bin mir nicht sicher, ob mein Arbeitsvertrag noch ein Jahr verlängert wird.
Bei mir steht alles noch offen. Ich habe kein festes Fundament und muss mich weiter Tag für Tag durch das Leben schleppen. Schade, dass ich Dich nie wieder sehen werde. Ich denke es wird mir schwer fallen dich abzugeben. Ich glaube, ich habe mich in Dich verliebt und ich schäme mich nicht es Dir zu gestehen, weil du tot bist und mich nicht mehr hören kannst. Ich hätte dich gerne in die Stadt gebracht und Dir die schöne Ecken gezeigt. Ich wäre mit dir den Rhein entlang spazieren gegangen und hätte Dir gerne den prächtigen Dom vorgestellt. Die Stadt hat mehr zu bieten als ein kleines Gebäude das aus einem Mäusestall und ein paar Laborräumen besteht.
Ich muss dich trotzdem abgeben und ich brauche viel Kraft um nicht zu weinen. Ich behalte dich aber in meiner Erinnerung und ich werde noch lange an dich denken. In der Erinnerung an all diejenigen an die sich niemand mehr erinnert.
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