Donnerstag, 8. Januar 2009

Neues Jahr

Es ist wieder weg, das alte Jahr, in dem ich vieles vorgenommen hatte. Es war gar nicht so alt, könnte sich eigentlich noch eine schöne weile aufhalten.
Aber es ist jetzt weg. Es ist weggegangen ohne sich zu verabschieden. Und ich stehe wieder unschlüssig mit all meinen Vorsätzen und Plänen, die ich mir versprochen hatte und keine davon verwirklichen könnte. Ich hatte eine lange Zeit meine Beschlüsse vergessen. Sie waren einfach verloren gegangen. In Chaos meines Lebens waren sie verschwunden. Ich war gerade dabei alles nachzuholen. Ich war auf der Suche, die verlorenen zu finden und neu zu ordnen. Als ich mein Jahresprogremm endlich fand, war das Jahr nicht mehr da. Es ging so überraschend wie es angekommen war. Es kam unangemeldet, zu früh und unerwartet. Ich hatte keine Lust auf neues Jahr. Ich hätte gerne das alte noch bei mir beibehalten können. Mit dem Alten war ich noch nicht fertig. Ich hatte noch Rechnungen offen, die ausgeglichen werden sollen. Diese stecken vergeblich in meiner Tasche. Genauso wie die von den letzten Jahren und Jahren davor. Das Jahr kam plötzlich und war wie immer kalt, machte sich lustig und wusste von nichts Bescheid. Als es wegging war es noch kälter. Und wenn ich an dieses verlorene Jahr nach denke, kann ich leicht erfrieren.
Das alte Jahr war ein halbes Jahr. Die Hälfte von diesem Halbjahr hatte kein Zeitgefühl, stand außerhalb meinem Rahmen und ich könnte damit nicht anfangen. Sie zeigte sich nicht und blieb hinter der anderen Hälfte versteckt. So hatte ich nur Vierteljahr zu Verfügung.
Und doch war ich damit gut bedient. Ich brauche nicht viel Zeit. Ich habe immer die Befürchtung mich in die Zeit verlieren zu müssen. Ich komme mit ihr nicht so gut zu recht, ich bleibe oft im Rückstand und werde dafür bestraft. Ich habe das Gefühl, dass jemand in mir vom neuen Jahr weg läuft und versucht vor allen und alles zu fliehen. Aber ich weiß nicht wohin und so bleibe ich immer in der Zeit hin. Und ich glaube nicht an die Relativität der Zeit. Sie ist gar nicht relativ. Sie ist absolut und ich glaube ehe an die Autorität der Zeit. Sie ist fürchterlich absolut. Sie nimmt alles ins Anspruch. Nimmt mir meinen Platz weg und drückt mich an die Wand. Sie ist gierig, will alles haben und oft weiß selbst nicht was sie alles will. Sie ist launisch, einmal kalt und einmal warm, heute hell und morgen dunkel, mal bunt und mal farblos, mal so mal so. Ein Kompromiss kennt sie nicht. Ihre Willen wird durchgesetzt und ihre Wörter gelten wie die einzige und vollkommene Wahrheit. Sie hat immer Recht und macht ihre Rechte geltend.
Sie besetzt jeden und keiner kann sie im Besitz nehmen. Und ich hasse die Zeit, weil ich ihr so machtlos ausgelietert bin .... Ich hatte ein Vierteljahr Zeit um ein ganzes Jahr älter zu werden.


***********


Das vergangene Jahr war nichts anders als seine Vorgänger. Mit ihm wiederholten sich die Hoffnungen der letzten Jahren, die wieder Mal scheitern sollen. Sie werden mit jedem neuen Jahr neu geboren um kurz darauf wieder zu sterben. Bis wir endlich lernen unsere Hoffnungen aufzugeben. Wenn wir überhaupt noch etwas lernen können. So lange wir auf eine bessere Welt hoffen, wird alles schlimmer.
Das alte Jahr war auch ein Jahr voller Korruption, Skandal, Lüge und Verbrechen. Wieder wurde der Welt das Brot geklaut und als dann nichts mehr zu klauen gab, herrschte eine Krise. Und die hungrige Welt sollte sich zusammenbeißen damit sich die Götter nicht schämen sollen. Und die Grunderfahrung, dass sich die Zeit nicht relativieren lässt, wurde nochmal bestätigt! Aber die große Philosophen wollen davon nichts wissen.
Und es wurde wieder Kinder geboren und Kinder ermordet. Weil einfach dazu gehört, dass Frauen Kinder auf die Welt bringen sollen, damit die Kinderhilfswerke weiter helfen können. Und es wurden Kinder ermordet oder eingesperrt oder verwahrlost, weil sie manchmal frech sind und falsche Töne raus geben und falsche Töne sind streng verboten.
Und es wurde geheiratet und geschieden, gekämpft, gewonnen und verloren.
Es war von alles etwas darin und doch war es leer. Es war leer wie der Himmel über mir, der sich immer weiter von mir entfernt und kleiner und kleiner wird. Darin sieht man nichts. Eine unendliche Leere, ohne Aussicht, ohne Prespektiv und kann kein Leben spenden. Und als ich meinen Blick vom Himmel auf die Erde wandelte, fuhr gerade ein Bus die Haltestelle an und ich musste mich beeilen wie viele andere. Und ich wusste, dass einen Grund zum Leben gibt es dennoch.