Mittwoch, 18. Juli 2007

Sie ist selber ein Kind, hat noch keine Ahnung vom Leben und ist noch nicht reif genug um so eine große Verantwortung zu übernehmen. Ich schätze sie ca. 15 Jahre alt. Sie hat kurze, blonde Haare, große helle Augen. Lächelt zart und süß mit ihrem ganzen Gericht. Sie wirkt so kindlich und so unschuldig wie ein Baby, das auf eine warme Umarmung wartet, oder auf jemanden, der kommt und es mit nimmt. Ich habe den Eindruck, dass sie gerne etwas fragen oder um einen Rat bieten würde, aber sie tue es nicht. Ihr Blick ist zerstreut. Sie versucht sich zurecht zu finden. Sie quält sich um ruhig und stabil zu bleiben.

Es gelingt ihr aber nicht. Das Gefühl der Überforderung ist ihrem Gesicht deutlich zu spüren. Ich habe die Befürchtung, dass sie jedes Moment hinfällt und zerbricht. Sie scheint mir wie ein dünnes Glas, das sorgsam behütet und beschützt werden soll. Ich sehe, dass sie unter einem schweren Last leidet. Ich würde gerne etwas für sie tun. Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun, sie irgendwie erleichtern, ihren Last erträglicher machen, ich weiß aber nicht wie. Sie braucht von einem Lächeln erwärmt zu werden. Ich lächele ihr zu und nehme ihr etwas ab.

Sie hat ein Baby im Schoss eine lebendige Puppe. Das Baby könnte eigentlich ihre Schwester oder ihr Bruder sein. Sie will das Baby zum Arzt bringen.

Das Baby sieht nicht so glücklich aus. Wie kann es glücklich sein wenn sie selber nicht glücklich ist. Sie kann nicht einmal das Baby richtig tragen, das bloße Tragen breitet ihr viel Mühe. Sie braucht selber in einem mütterlichen Arm getragen zu werden. Sie soll selber von einem Erwachsenen betreut werden. Ich sehe vor mir zwei Kinder. Jeder fällt de anderen zum Opfer. Beide unschuldig und beide im Leben verurteilt und verdammt. Das eine spielt die Rolle der Mutter. Eine Rolle, der der es nicht gewachsen ist. Eine Aufgabe, die es zusammenbricht und zerquetscht. Das andere, ein Kind, dem sein Kindheit jetzt schon verloren ist. Ein grausames Spiel. Sie machen sich beide gegenseitig kaputt und doch sind sie beide unschuldig.

Sie siegt ein und wir fahren los. Unterwegs erzählte sie mir, dass sie siebzehn Jahre alt ist. Dass der Vater von Baby nicht mehr in Deutschland lebt. Er ist kurz nach der Bekanntschaft mit ihr wieder nach Amerika zurück gegangen und seitdem hat sie seinen Spur verloren. Sie hat damals versucht ihn aufzusuchen und ihm über ihre Schwangerschaft Bescheid zu sagen aber niemand konnte ihr helfen. Keine Adresse keinen Telefonnummer, nichts, gar nichts von ihm war zu finden. Er ist einfach schnell verschwunden. Schnell, wie er aufgetaucht war.

Sie sagt, dass ihre Mutter ihr dabei hilft, das reicht aber nicht. Sie vermisst den Vater des Kindes. Oder jemanden, der diese Rolle spielt, jemand der diesen leeren Platz neben ihr befullen kann. Und während sie redet und von ihre Verlegenheit erzählt verblasst ihr Gesicht und verliert mehr und mehr Farbe und Lebendigkeit. Ihre Stimme bebt, wird leiser und leiser, schließlich bekommt sie Tränen in die Augen.

In meinem Gedanken bildet sich ein negatives Perspektiv. Was wird aus dem Kind?! Kann es ohne Vater mit einer Orientierungloser Mutter das Leben meistern? Wie stellt sich diese junge Mutter die Zukunft vor?

Ich hätte lieber einen Schulranzen auf ihrem Rücken gesehen, statt ein Baby im Schoss. Ich hätte sie lieber in die Schule gefahren und nicht zum Kinderarzt. Sie gehört in der Schule. Sie soll noch vieles lernen. Vieles erleben. Sie braucht Zeit für sich. Viel Zeit. Zeit zu lernen, zu spielen, zu lachen, zu weinen und sie braucht Raum für ihre Entwicklung. Sie braucht viel Zeit und Raum für sich selbst.

Sie steigt aus zusammen mit dem Baby verschwindet hinter einer Glastür.

Und hinterlässt in mir ein trauriges Bild: ein alleinerziehendes Kind.